Treffen vom Verwaltungsrat

Verwaltungsrat neu gedacht: Gestalten, statt nur verwalten

Moritz Koch ist Vorsitzender im Verwaltungsrat der KAEFER-Gruppe. Im Interview beschreibt er, was eine gute Zusammenarbeit des Gremiums mit der Geschäftsführung ausmacht und warum es im Vorsitz keine Narzissten, sondern Spielertrainer wie im Fußball braucht.

Einen Verwaltungsrat, Aufsichtsrat, oder Beirat zu etablieren, ist nicht einfach. Familienunternehmen tun aber gut daran, sich eingehend mit diesem Thema zu beschäftigen. Im Falle von Moritz Koch und seinem Unternehmen KAEFER, hat es sich gleich in mehrfacher Hinsicht gelohnt. Im Interview erzählt uns ausführlich, wie die Neuausrichtung des Verwaltungsrats ablief und worauf er dabei geachtet hat.

Herr Koch, 2022 haben Sie bei KAEFER mit der SMS-Group und dem Finanzinvestor Altor zwei externe Investoren ins Boot geholt. Was waren die Gründe für diesen Schritt?
Dafür gab es zwei Beweggründe: Zum einen hatten wir zu wenig Eigenkapital, um das internationale Wachstum von KAEFER zu finanzieren. Wir konnten uns nicht so viele Zukäufe leisten, wie wir sie hätten tätigen müssen, um mit unseren internationalen Wettbewerbern mitzuhalten. Der zweite Beweggrund war, dass wir im Generationenübergang gemerkt haben, dass wir unabhängig vom Familienunternehmen zusätzliche Beteiligungen aufbauen wollen, um nicht alles auf eine Karte zu setzen und um zugleich einen stärkeren Schwerpunkt im Bereich Nachhaltigkeit zu etablieren. Auch für diese Diversifizierung haben wir zusätzliches Kapital gebraucht.

Im Zuge der Transaktion haben Sie auch die Rechtsform angepasst. KAEFER firmiert seither als SE & Co. KG. Wieso kam eine deutsche AG mit einem Aufsichtsrat für Sie nicht infrage?
Wir bleiben auch nach dem Einstieg der beiden Investoren im Kern ein Familienunternehmen. Und in einem Familienunternehmen unserer Lesart gehört es dazu, dass die Familie ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung hat. Ein Aufsichtsrat, der einen Vorstand kontrolliert, aber nicht weisungsbefugt ist, war für uns nicht passend. Das hat nichts Unternehmerisches mehr. Wir haben uns mit unserem kontrollierenden Beirat der GmbH & Co. KG sehr wohl gefühlt und ein Äquivalent in der SE & Co. KG gefunden. Wir haben uns deshalb bewusst für eine monistische Struktur mit einem Verwaltungsrat entschieden. So fühlen wir uns weiterhin als Familienunternehmen.

Wie unterscheidet sich die Arbeit des heutigen Verwaltungsrats von dem, was der Beirat in der früheren Struktur gemacht hat?
Wir hatten schon vorher einen sehr ordentlich konstituierten Beirat. Er war kontrollierend, aber auch beratend tätig und bestand aus sechs Personen: drei Vertretern der Familie und drei Externen, die mit unserem Geschäft, der Industriedienstleistung, vertraut waren. Wir haben als Gesellschafter immer schon alle gestaltenden Rechte, die oberhalb der Geschäftsführung zu beschließen sind, an den Beirat delegiert – also bspw. die Besetzung der Geschäftsführung, die Festlegung der Strategie und Fragen der Finanzierung. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht und diese in die neue Struktur überführt. Und obwohl es der Name nicht unbedingt suggeriert: Unser Verwaltungsrat verwaltet nicht nur, sondern gestaltet gemeinsam mit der Geschäftsführung und stößt strategische Weiterentwicklungen an – und zwar viel aktiver, als unser früherer Beirat das jemals getan hätte.

„Unser Verwaltungsrat verwaltet nicht nur, sondern gestaltet.“ – Moritz Koch


Wie häufig treffen Sie sich und wie läuft eine typische Verwaltungsratssitzung bei KAEFER ab?
Unser regulärer Turnus sieht im Moment vier bis fünf Sitzungen im Jahr vor. Dazu kommen ein oder zwei strategische Sondersitzungen. Eine Verwaltungsratssitzung hat bei uns typischerweise eine Länge von sechs Stunden. Wir treffen uns möglichst in Präsenz, weil die Qualität deutlich höher ist als in Onlinesitzungen. Wir starten mit einer internen Sitzung, bei der wir als Verwaltungsrat erstmal ohne die Geschäftsführung über strategische Themen sprechen, um gut abgestimmt zu sein und eine gemeinsame Vorstellung zu entwickeln. In der eigentlichen Sitzung versuchen wir, den Berichtsteil möglichst kurz zu halten. Mindestens die Hälfte der Zeit, eher zwei Drittel, geht es um die Strategie. Einen Schwerpunkt bildet das Thema M&A, weil sich unser Geschäft über Zukäufe entwickelt. Darüber sprechen wir deshalb sehr intensiv.

Wie ist Ihr Verwaltungsrat personell aufgestellt?
Wir sind zu acht: Vier Mitglieder repräsentieren die Familie und jeweils zwei sind von den Investoren SMS und Altor entsandt. Auf Familienseite sind neben mir als Sprecher der Familie zwei langjährige Begleiter aus dem früheren Beirat an Bord geblieben: unser ehemaliger Finanzbeirat und ein weiteres Beiratsmitglied, das große Expertise im Schiffbau und im Bereich Compliance mitbringt.

Wie viele Frauen sitzen aktuell in Ihrem Verwaltungsrat?
Im Moment leider nur eine. Ich hätte gern eine höhere Frauenquote, aber es ist wahnsinnig schwierig, Frauen für das Industriedienstleistungsgeschäft zu begeistern. Unser Business ist eine Männerdomäne. Wenn ein Mandat frei wird, suchen wir bewusst auch nach Frauen. Letztlich besetzen wir aber nach thematischer und industrieller Kompetenz, nicht nach Geschlecht.

Auf welche fachlichen und persönlichen Kompetenzen achten Sie, wenn Sie ein neues Mitglied für den Verwaltungsrat wählen?
Ganz wesentlich ist, dass die Person das Industriedienstleistungsgeschäft kennt und versteht. Zweite Voraussetzung ist, dass er oder sie international erfahren ist, denn KAEFER generiert 85 Prozent seines Umsatzes im Ausland. Dritte Voraussetzung: Man muss groß denken können. Wenn der Verwaltungsrat zu klein denkt, beschränkt er die Geschäftsführung. Und nicht zuletzt braucht es im Verwaltungsrat Menschen, die absolut integer sind und keine Angst davor haben, große, weitreichende Entscheidungen zu treffen. In unserem Geschäft geht es um riesige Projekte, über die häufig ein ganzes Land spricht. Und wir als Dienstleister sind verpflichtet, alles dafür zu tun, dass diese großen Industrieanlagen fristgerecht fertiggestellt werden.

„Ich bin Verfechter eines starken Verwaltungsrats oder Beirats.“ – Moritz Koch


Ein Thema, das viele Unternehmen derzeit stark umtreibt, ist die Digitalisierung. Haben Sie Ihren Verwaltungsrat explizit mit Experten dafür besetzt?
Alle Mitglieder in unserem Verwaltungsrat haben durch ihre anderen Mandate schon so viel gesehen, dass sie hier einen guten Beitrag leisten können. Einen expliziten Digital-Experten können wir eigentlich gar nicht so recht brauchen, denn unsere Branche, die Industriedienstleistung, ist eine nachlaufende Branche, die bei der Digitalisierung kein Pionier ist. Wir haben schon häufiger große Vorstellungen entwickelt, wie wir KAEFER digital transformieren wollen, mussten dann aber feststellen, dass viele unserer Kunden noch gar nicht so weit sind.

Was sind aus Ihrer Erfahrung die Erfolgsfaktoren, damit die Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsführung und dem Verwaltungsrat gut funktioniert?
Aus meiner Sicht kommt es auf drei Punkte an: Ganz wichtig ist, dass wir respektvoll, professionell und stets auf Augenhöhe miteinander umgehen und kommunizieren. Für Individual-Allüren oder eine Basta-Mentalität ist da kein Platz. Auch eine Frontenbildung nach dem Motto „Verwaltungsrat gegen Geschäftsführung“ darf es nicht geben. Es muss immer um die Sache gehen. Zweitens halte ich mich an den Grundsatz „no surprises“. Alles, was bei der Sitzung besprochen wird, muss vorher bekannt sein. Spontane Last-Minute-Vorlagen sind nicht zielführend. Und der dritte Erfolgsfaktor ist, dass sich der Verwaltungsrat intern kurz abstimmt, bevor er sich mit der Geschäftsführung trifft. Das ist sehr wichtig, um alle auf Flughöhe zu bringen und ein „Level-Playing-Field“ herzustellen.

Worauf sollten Familienunternehmen bei der Einrichtung eines Beirats achten, damit das Gremium einen echten Wertbeitrag leistet?
Ich bin Verfechter von starken Verwaltungs-, Aufsichts- und Beiräten. Egal, wie das Gremium im Einzelfall heißt: Es muss klare und abschließende Rechte haben, die von der Gesellschafterversammlung nicht überstimmt werden können. Das Gremium muss darüber entscheiden können, ob eine Akquisition oder eine Investition getätigt wird oder mit wem ein Geschäftsführungsmandat neu besetzt wird. Einen schwachen Beirat kann man sich schenken. Die zweite Empfehlung ist, das Gremium strikt nach Kompetenz zu besetzen und persönliche Motive außen vor zu lassen.

Unternehmen müssen überlegen, wer den größten Wertbeitrag leisten kann. Und das leitet sich einerseits aus der Kompetenz ab, andererseits aber auch aus der Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Es braucht keine Egomanen, sondern Leute, die als Team zusammenarbeiten. Und der Vorsitzende hat die Aufgabe, das Team stark zu machen. Das ist wie der Spielertrainer im Fußball: Der spielt selbst mit und coacht gleichzeitig das Team, gewinnt also nicht allein, sondern mit der Mannschaft gemeinsam das Spiel. Einen Narzissten oder jemanden, der sich als großer Zampano aufführt, sollte man sich ersparen.

Portrait von Moritz Koch

Moritz Koch
ist Sprecher der Familie und Vorsitzender des Verwaltungsrats von KAEFER, einem
weltweit tätigen Anbieter von technischen Industriedienstleistungen. Das 1918 gegründete
Familienunternehmen mit Sitz in Bremen beschäftigt rund 31.000 Mitarbeitende
und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von 2,3 Mrd. Euro. Moritz Koch ist außerdem
geschäftsführender Direktor der Familien-Beteiligungsgesellschaft VAERING und
geschäftsführender Gesellschafter einer Unternehmensberatung für digitale Strategie
und Organisation.

Dieses Interview erschien ursprünglich in unserem Unternehmermagazin „Family Business Matters“, Ausgabe 02/2024.

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