„Wir müssen um das cleverer sein, was die anderen billiger sind“

Den meisten Campern ist die Marke Truma ein Begriff: Das Familienunternehmen liefert Zubehör wie Heizung oder Klimaanlage für Wohnwagen und Reisemobile. Im Interview spricht Alexander Wottrich, der das Unternehmen in dritter Generation leitet, über Innovationen, KI, den Standort Deutschland – und seine Erwartungen an die neue Bundesregierung.

ALEXANDER WOTTRICH IM GESPRÄCH MIT BRITTA WORMUTH

Alexander, wie optimistisch blickst du in das Jahr 2025? 
ALEXANDER WOTTRICH: Ich blicke mit sehr viel Zuversicht ins Jahr 2025, weil ich fest an unser Unternehmen und an unsere Leute glaube. Wir haben gerade das 75-jährige Firmenjubiläum gefeiert und ich bin überzeugt, dass uns der Wille zum Erfolg und der Spaß am Erfolg ein positives Jahr bescheren werden. Was die Politik und die aktuellen Rahmenbedingungen in Deutschland angeht, bin ich deutlich weniger zuversichtlich … 

Dennoch haltet ihr als Unternehmen am Standort Deutschland fest. Wieso? 
Truma ist sehr global aufgestellt, aber unser Headquarter ist und bleibt in Deutschland. Wir sehen viele Vorteile darin, die Entwicklung und Produktion an einem Standort zu bündeln. Und wir verspüren auch eine gewisse moralische Verpflichtung, nicht zu fliehen, wenn es mal schwierig wird. Unser Leitsatz ist: „Wir müssen um das cleverer sein, was die anderen billiger sind.“ 

Truma hat weltweit Niederlassungen. Was kann Deutschland vom Ausland lernen? 
Von den Amerikanern können wir die höhere Risikobereitschaft lernen. Chinesische Firmen können sich extrem gut an Marktveränderungen anpassen. Sie haben nicht nur großartige Talente, sondern einen unwahrscheinlich guten Blick, was am Markt funktioniert. Was wir uns bei den Skandinaviern abschauen können: die Dinge mit einer gewissen Ruhe und Besonnenheit zu betrachten. Die Stärke von uns Deutschen ist, dass wir sehr gründlich sind. Wir glauben an unsere Fähigkeiten; unsere Ingenieurskunst hat ja eine lange Tradition. Bei Truma versuchen wir, aus all diesen verschiedenen Einflüssen das Beste herauszuholen und von anderen Standorten zu lernen. 

„Wir verspüren eine moralische Verpflichtung, nicht zu fliehen, wenn es mal schwierig wird.“ – Alexander Wottrich  

Wie beurteilst du die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland? 
Insgesamt sind die Rahmenbedingungen hier schon sehr gut. Ich schätze es, in einem Rechtsstaat zu leben, auf den ich mich verlassen kann. Viele kritisieren zwar die fehlende Schnelligkeit, aber die Dinge sind hier eben nicht willkürlich. Unser politisches System halte ich auch für sehr stabil. Nichtsdestotrotz ist es schwer als Unternehmer, gegen die Bürokratie anzukämpfen und zuzusehen, wie einen rechts und links alle überholen, weil sie es einfacher haben. 

Was erwartest du von der neuen Bundesregierung?
Ich habe gleich vier Wünsche: Vor allem wünsche ich mir, dass die neue Regierung sehr schnell die überbordende Bürokratie abbaut. Wir haben Mitarbeitende, die nichts anderes machen, als neue Vorschriften zu erfüllen. Das kostet nicht nur Geld, es macht uns auch langsam und hemmt unsere Wachstums- und Innovationsmöglichkeiten. Zweitens wünsche ich mir eine klar formulierte Wirtschaftsstrategie, damit alle wissen, in welche Richtung es geht. Deutschland muss aufhören, mit dem Gießkannenprinzip alle möglichen Technologien zu subventionieren und stattdessen Kernfelder festlegen. Sobald die Richtung feststeht, kann eine Aufbruchstimmung entstehen.  

Und Wunsch drei und vier?
Der Gründergeist in Deutschland muss gestärkt werden. Es braucht Erleichterungen für junge Leute, die gründen wollen. Ich persönlich würde wahrscheinlich auch nicht in Deutschland gründen, weil es mir einfach zu anstrengend wäre. So verlieren die Gründer ihren Spirit für die Idee, für die sie eigentlich brennen.  

Und die neue Bundesregierung muss Rahmenbedingungen schaffen, damit mehr Familienunternehmen an die nächste Generation weitergegeben werden. Mit Blick auf das Erbschaftsteuerrecht und die öffentliche Wahrnehmung ist es aktuell nicht besonders erstrebenswert, die Nachfolge zu übernehmen.  

Wie meinst du das?
In den vergangenen Jahren haben wir viele Diskussionen rund um die Erbschaftsteuer erlebt, in denen ein regelrechtes „Reichen-Bashing“ betrieben wird. Damit tut man Familienunternehmern in vielen Fällen völlig unrecht. Diese Leute setzen sich dafür ein, dass Jobs in Deutschland bleiben – und zwar trotz aller Hindernisse, die von der Politik kommen, trotz der Schwierigkeiten mit der Infrastruktur, trotz der hohen Energie- und Steuerlast. 

In der aktuellen Diskussion heißt es oft, dass wir in Deutschland einfach nicht mehr bereit sind, etwas zu leisten. Wie siehst du das?
An dem Satz „Leistung muss sich wieder lohnen“ ist sehr viel dran. Ich glaube jedoch, Deutschland hat sich an die Umstände angepasst. Es lief über Jahrzehnte wahnsinnig gut. Da verliert man leicht den Blick für die Gefahren, die von außen lauern. Der größte Feind der Zukunft ist der vergangene Erfolg. Menschen tendieren dazu, ein gewisses Selbstbewusstsein zu entwickeln, das an der einen oder anderen Stelle überzogen ist. Ich finde es unglaublich, mit welcher Arroganz wir noch vor wenigen Jahren auf China geschaut haben.  

Nach der Corona-Pandemie musstet auch ihr Leute entlassen. Was war da los?
Wir sind in der Corona-Pandemie, als das Campen boomte wie nie zuvor, stark gewachsen und haben viele Leute eingestellt. Dann ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen. Es folgten die Energiekrise und die hohe Inflation. Das hat dazu geführt, dass wir korrigieren und das Personal, das wir vorher aufgebaut hatten, wieder reduzieren mussten. Heute schauen wir positiv in die Zukunft. Wir sind gut aufgestellt und gerade dabei, uns neue Geschäftsfelder zu erschließen, um uns zu diversifizieren.  

Ein wichtiger Teil eures Erfolgsrezepts sind Innovationen. Wie läuft das Innovationsmanagement bei Truma ab?
Eine Kulturveränderung ist immer ein Marathon oder zumindest ein Langstreckenlauf. Wir managen unsere Innovationen durch kontinuierliche Marktbeobachtung und ein ausgeklügeltes Ideenmanagement. Ein Team, das sich aus unseren Top-Führungskräften zusammensetzt, bewertet regelmäßig, was das beste Investment für die Unternehmensgruppe darstellt. Diesen Prozess haben wir Software- und mittlerweile KI-gestützt aufgesetzt. So laufen wir nicht Gefahr, dass es die lauteste Idee oder die Idee von dem Mitarbeitenden mit dem besten Netzwerk im Unternehmen nach oben schafft, sondern entscheiden datenbasiert und in kurzfristigen Zyklen.  

Du sprichst von KI-Unterstützung im Innovationsmanagement. In welchen weiteren Bereichen spielt KI bei euch eine Rolle?
Anfangs war ich in Bezug auf KI eher skeptisch, habe vor allem die Risiken gesehen. Mittlerweile verstehen wir KI als Teil unserer täglichen Arbeit. So haben wir kürzlich ein Large Language Model kreiert, das die Arbeit in unserem Service effizienter gestaltet und die Qualität erhöht. Gerade sind wir dabei, einen KI-basierten Chatbot zu entwickeln. Und so gehen wir kontinuierlich weiter in diese Richtung. In unserer Wertschöpfung setzen wir KI noch nicht ein. Der nächste Schritt ist dann, KI auch in den Produkten einzubauen.  

„KI wird unsere Service-Leute nicht ersetzen.“ – Alexander Wottrich

Glaubst du, dass KI langfristig ganze Mitarbeitergruppen ersetzen wird? 
Die KI bedeutet in erster Linie eine deutliche Verbesserung für die Kunden, weil sie nun zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Art Ansprechpartner haben. Es ist ein großer Vorteil, den Leuten verschiedene Kanäle anzubieten. Denn viele Menschen schätzen es, wenn sie nicht am Telefon mit jemandem sprechen müssen. Für unsere Mitarbeitenden ist es zudem eine große Entlastung, wenn sie nicht mit vielen wiederkehrenden, teilweise auch banalen Anfragen zu kämpfen haben, sondern sich um die Dinge kümmern können, wo sie wirklich gebraucht werden: wenn der Chatbot nicht die richtige Antwort findet, weil der Sachverhalt zu komplex ist, oder wenn jemand lieber mit einer echten Person sprechen möchte. Ersetzen wird KI unsere Service-Leute sicher nicht. 

UNTERNEHMEN
Truma wurde 1949 von Philipp Kreis, dem Großvater von Alexander Wottrich, gegründet. Das Unternehmen mit Sitz in Putzbrunn bei München ist Systemlieferant für Wohnwagen und Reisemobile – von der Klimaanlage über die Heizung bis zur Warmwasserbereitung und Gasversorgung. In den 75 Jahren seit der Gründung hat sich die Truma Group zu einem international erfolgreichen Unternehmen entwickelt, das 1.000 Mitarbeitende beschäftigt und einen Jahresumsatz von rund 300 Mio. Euro erwirtschaftet. Alexander Wottrich ist seit 2015 an Bord und hat Anfang 2018 die Geschäftsführung übernommen. 

Ursprünglich erschien dieses Interview in unserem Magazin Family Business Matters, Ausgabe 01/2025. Jetzt reinlesen!

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