„Ich habe aktiv um Hilfe gebeten, direkt bei der Belegschaft, von der ich viel lernen durfte.“

Seit 2011, direkt nach dem Studium, ist Isabel Grupp bereits im Familienunternehmen Plastro Mayer GmbH tätig und hat diverse Positionen und Bereiche durchlaufen. Seit 2015 leitet sie das Unternehmen in dritter Generation gemeinsam mit ihrem Vater.

Isabel Grupp, Geschäftsleiterin Plastro Mayer GmbH, spricht im Interview mit Silke Fußbahn

Frau Grupp, wie haben Sie den Einstieg in das elterliche Unternehmen erlebt?
ISABEL GRUPP: Ganz ehrlich – ich habe mir dazu nie explizit Gedanken gemacht. Während des BWL-Studiums hatte ich nicht das Ziel, direkt ins Unternehmen einzusteigen. Im Nachhinein betrachtet, finde ich das inzwischen schade. Wir sollten alle viel früher auf die eigenen Leidenschaften blicken, um den Karriereweg bewusster gehen zu können. Den entscheidenden Moment habe ich während meines Praktikums in New York erlebt. In einem Telefonat fragte mein Vater: „Was machst du denn eigentlich danach?“ So simpel die Frage war, so stark war ihre Wirkung. Anfangs war ich mir nicht sicher, ob der direkte Einstieg ins Unternehmen der richtige Weg ist – meine Freunde haben mir großteils davon abgeraten. Am Ende habe ich einfach auf den Rat meines Vaters vertraut. Für mich war es der richtige Weg.

Was bedeutet es für Sie, die Nachfolge anzutreten?
Es ist eine Chance und zugleich eine wirklich große Ehre. Aber es ist auch herausfordernd, denn nur weil man als Unternehmerkind groß wird, heißt das ja nicht gleich, dass das „Unternehmer-Gen“ ausgeprägt ist. Dennoch: Ich wollte die Chance mutig nutzen. Scheitern ist in Ordnung, aber nicht jeder bekommt eine solche Chance. Als ich mit 25 Jahren ins Unternehmen einstieg, kam ich nicht als die gemachte, perfekte Unternehmerin. Im Gegenteil: Ich habe aktiv um Hilfe gebeten, direkt bei der Belegschaft, von der ich viel lernen durfte. Mir hat das ein Gefühl der Verbundenheit gegeben, die mir das Team entgegengebracht hat. Gerade die langjährigen Beschäftigten haben mir viel Know-how vermittelt. Veränderungsprozesse habe ich erst nach mehreren Jahren und mit Vorsicht angestoßen.

Für mich sind eine klare Haltung, eine offene Streitkultur und Aufrichtigkeit wichtige Aspekte in der Führung und Zusammenarbeit.“ Isabel Grupp

Wie definieren Sie Führung – auch im Vergleich zu Ihrem Vater?
Mein Vater und ich denken ähnlich, er ist seit jeher mein Mentor. Aber in unseren Führungsstilen unterscheiden wir uns auch. Er ist eher der konservative Unternehmer, der gern den vollen Überblick hat. Ich hingegen setze darauf, Verantwortung auch bewusst abzugeben. Mir ist es wichtig, unsere Strategie, Unternehmenskultur sowie die zu erreichenden Ziele vorzugeben, der Weg zum Ergebnis liegt dann nicht mehr zu 100 Prozent in meiner Hand. Darüber hinaus ist mir bspw. das Thema digitale Souveränität sehr wichtig. Für mich – und hier kann ich auch für meinen Vater sprechen – sind eine klare Haltung, eine offene Streitkultur und Aufrichtigkeit wichtige Aspekte in der Führung und Zusammenarbeit. Unabhängig, ob gegenüber der Familie oder dem Team.

Hatten Sie für die Unternehmensnachfolge weibliche Vorbilder oder Coaches?
Vorbilder in Form von anderen Unternehmerinnen hatte ich im direkten Umfeld nicht. Wir haben den Übergabeprozess auch nicht von externen Coaches begleiten lassen. Ich habe für mich den Weg der individuellen und persönlichen Weiterbildung gewählt und auch gebraucht. Podcasts oder Schulungen haben mir z.B. sehr geholfen. Im Gerüst aus privater und beruflicher Verbindung zur Familie musste ich mich allerdings erst zurechtfinden. Meine persönlichen Netzwerke haben mir zudem sehr bei der Bewältigung dieser Herausforderungen geholfen.

Braucht die Nachfolge einen klaren Zeitplan?
Für uns nicht. Wir haben weder einen Fahrplan noch entsprechende Berater. „Go with the Flow“ ist unser Leitmotiv. Ich wünsche mir gar nicht, dass mein Vater schon zurücktritt. Denn seine Rolle müsste jemand anderes ersetzen. Für mich ist es ein Segen, dass er weiterhin aktiv mitgestaltet. Ich kann mich vollständig auf ihn verlassen. Dann, wenn es so weit ist, wird der Wechsel vollzogen. Bis dahin freue ich mich, weiter zu wachsen und von meinem Vater gefordert und gefördert zu werden.

Haben Sie Modelle im Unternehmen, Frauen speziell zu fördern?
Auf Produktionsebene haben wir bereits einen guten Ausgleich. Auf der Führungsebene ist es aber eher Männerlastig. Diese Realität ist branchenbedingt nicht überraschend, da in den MINT-Bereichen leider immer noch kaum Frauen in den Markt treten. Ich würde mir wünschen, hier in den nächsten Jahren eine Veränderung zu erleben. In der Zwischenzeit schaffen wir schon heute im Unternehmen Räume und Möglichkeiten zur fachlichen und persönlichen Entwicklung.

Welchen Rat möchten Sie anderen Unternehmensnachfolgerinnen geben und was ist Ihr Tipp für die Senior-Generation?
Die grundlegende Frage sollte sein: Ist die Nachfolge etwas, was mir wirklich Spaß bereitet? Eine Unternehmensnachfolge anzutreten, aber im Herzen für andere Themen zu brennen – dieses Kartenhaus fällt früher oder später in sich zusammen. Ein weiterer Tipp, den ich anfangs sogar selbst gebraucht hätte, ist: Sei authentisch. Zu Beginn habe ich immer versucht, allen Erwartungen und typischen Rollenbildern zu entsprechen. Aber erst seit ich wirklich Ich bin und niemandem nacheifere, fühle ich mich rundum wohl. Der Senior-Generation rate ich, immer für klare Verhältnisse zu sorgen. Ungeklärte Rahmenbedingungen und eine schleifende Historie sind hinderlich. Verzeihen kann auch helfen, den entsprechenden Rahmen zu schaffen. Das gilt selbstverständlich für beide Generationen. Zudem sind Loyalität, Respekt, Augenhöhe sowie Vertrauen, aber auch Freiräume von großer Bedeutung. Ich selbst nehme aus dem Vertrauen meines Vaters mir gegenüber Mut und Kraft, meine Rolle bestmöglich auszufüllen.

Das Interview von Isabel Grupp ist mit vielen anderen NextGens in unserem NextGen Special zu lesen.

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