Führen aus der Ferne

Julia Hummel hat an der Seite von Vater und Schwester ihren Platz im Familienunternehmen in Pirmasens gefunden. Ihr Leben in der Großstadt wollte sie dafür nicht aufgeben. Möglich machen dies eine klare Aufgabenteilung und ein enges Vertrauensverhältnis.

Julia Hummel im Gespräch mit Britta Wormuth

Julia, gemeinsam mit deiner Schwester Anne-Katrin und deinem Vater Bernd Hummel bildest du seit 2008 das Dreiergespann der Bernd Hummel Holding. War das von Anfang an so geplant?
JULIA HUMMEL: Nein, eigentlich nicht. Nach meinem dualen BWL-Studium bei Otto habe ich erst einmal bei verschiedenen Modeunternehmen im Einkauf und im E-Commerce gearbeitet: Nach Zwischenstopps in Spanien und Asien zog ich von Hamburg in die Niederlande, wo ich für Mexx und O’Neill tätig war. Dann haben sich neue Perspektiven in unserem Familienunternehmen eröffnet.

Gab es ein Schlüsselmoment, das dich dazu bewegt hat, ins Familienunternehmen einzusteigen?
Es gab kein bestimmtes Ereignis. Aber ich hatte schon länger das Bedürfnis, selbstständiger und freier von Hierarchien und Firmenpolitik zu arbeiten. Hinzu kam, dass meine Schwester bereits in unser Familienunternehmen eingestiegen war und mich die Marke „flipflop“, die mein Vater 2003 übernommen hatte, sehr reizte.
Ich war also bereit für eine Veränderung, aber noch nicht bereit für einen Umzug nach Pirmasens. Daher übernahm ich in einem ersten Schritt die Verantwortung für die Eröffnung unseres „flipflop“-Stores in Amsterdam. Schnell kamen weitere Aufgaben hinzu und ich wurde mehr und mehr ins Unternehmen eingebunden. Nach drei Jahren Pendeln zwischen Amsterdam und unserem Hauptsitz bin ich wieder nach Pirmasens gezogen.

Wie hat sich seitdem deine Rolle im Unternehmen verändert?
Ich habe die direkte Verantwortung für mehrere Unternehmensbereiche und Teams übernommen. Nach einigen Jahren musste ich mir jedoch eingestehen, dass mir das Großstadtleben fehlte. Also gab ich das „Klein-Klein“ des Tagesgeschäfts und die Teamführung ab und wandte mich Aufgaben und Bereichen zu, die keine dauerhafte Präsenz am Hauptsitz erfordern. Inzwischen lebe ich in Hamburg und bin ein bis zwei Mal im Monat in Pirmasens. Es hat sich alles gut eingespielt. Meine Schwester pendelt ebenfalls, von Frankfurt am Main.

Wie hat euer Vater reagiert, als klar war, dass ihr nicht in Pirmasens bleiben wollt?
Das war kein Problem. Wir leiten unsere Verantwortungsbereiche völlig autark. Unser Vater hat uns von Anfang an umfassendes Vertrauen geschenkt. So konnte ich schon immer alle Themen angehen, die mir am Herzen lagen. Unsere Vereinbarung dabei lautet: Ich melde mich, wenn ich Hilfe brauche.

Was genau sind aktuell deine Aufgaben?
Im operativen Bereich haben meine Schwester und ich von Anfang an „cherry picking“ betrieben und uns die Bereiche herausgesucht, die uns am besten liegen. Ich verantworte das Licence-Management und das Business-Development unserer Marke „KangaROOS“, einschließlich Textilien und Accessoires. Anne-Katrin verantwortet „flip*flop“ und kümmert sich als Creative Director um Kollektionen, Markenführung, Produktentwicklung und Sourcing. Unser Vater übernimmt die betriebswirtschaftlichen Aufgaben. Zudem verantwortet er als erfahrener Schuhexperte unsere Hummel & Hummel Schuhmanufaktur in Münchweiler bei Pirmasens.

Mit 73 Jahren ist euer Vater nach wie vor der Kopf der Firma. Sprecht ihr in der Familie über seinen Rückzug aus dem Familienunternehmen?
Unser Vater hält als CEO die Fäden zusammen. Er ist ja auch permanent vor Ort. Wir entwickeln derzeit verschiedene Szenarien, wie es in Zukunft laufen könnte. Diese sind aber noch nicht spruchreif. Die Holdingstruktur der Firma mit verschiedenen GmbH bildet aber bereits eine gute Basis für eine strukturelle Neuordnung. Wir sind an dem Thema auf jeden Fall dran.

Kommt für euch ein Umzug zurück nach Pirmasens infrage, wenn euer Vater in den Ruhestand geht?
Das sehe ich für uns beide nicht. Wir haben nicht zuletzt auch in der Corona-Pandemie unter Beweis gestellt, dass wir unsere Arbeit auch aus der Ferne gut machen können.

Wie klappt die Zusammenarbeit in der Familie?
Wir setzen uns regelmäßig zusammen und stimmen uns ab. Die Firma sitzt aber auch immer wieder bei privaten Familientreffen mit am Tisch. Wir verstehen uns untereinander sehr gut und verbringen auch viel Freizeit miteinander. Das ist eine starke Basis, um sich in der Zusammenarbeit mit Wohlwollen und auf Augenhöhe zu begegnen.

Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein …
Natürlich haben wir auch Konflikte, aber die sind immer schnell vom Tisch, weil wir die Dinge direkt ansprechen. In so einem Fall ist es immer gut, die gemeinsame Perspektive in den Vordergrund zu stellen. Ich behalte dabei immer im Hinterkopf, dass alle nach bestem Wissen und Gewissen arbeiten und ihr Bestes für das Unternehmen geben. Das gilt für die Familie und in der Regel auch für die Mitarbeitenden.
Habt ihr eine Familienverfassung oder eine Inhaberstrategie festgelegt?
Nein, die benötigen wir auch nicht bei der Größe unseres Unternehmens. Alles ist übersichtlich und funktioniert sehr „smooth“.

Welche Themen möchtet ihr in der Zukunft vorantreiben?
Wir konzentrieren uns vor allem auf unser E-Commerce-Geschäft. Der Onlinehandel verlagert sich immer mehr auf die großen Plattformen. Bereits heute gehören Zalando und Amazon zu unseren größten Kunden. Dahinter müssen ein gutes Warenmanagement und eine intelligente Vermarktung stehen. Beim Marketing werden wir zukünftig noch stärker auf „Social Shopping“ setzen. Social Media sind schon heute für die Markenkommunikation unsere wichtigsten Kanäle. Zudem ist – und war schon immer – Nachhaltigkeit für uns sehr wichtig, nicht nur bei den Produkten, sondern auch im Sinne von langfristigen und partnerschaftlichen Geschäftsverbindungen.

Unsere Vereinbarung lautet: Ich melde mich, wenn ich Hilfe brauche.“ Julia Hummel

Wie könnt ihr euch als vergleichsweise kleines Familienunternehmen gegen die Markenriesen mit den großen Marketingbudgets behaupten?
Wir setzen uns von der Konkurrenz ab, gerade weil wir anders sind. Unsere Herausforderung ist, „KangaROOS“ und „flipflop“ als „love brands“ zu festigen: als Marken mit großer Ausstrahlung, die geliebt werden, die Zugehörigkeit und Werthaltigkeit vermitteln. Unsere Marke „KangaROOS“ – weltweit eine der ersten Sneaker-Marken überhaupt – profitiert von der einzigartigen „Made in Germany“- Produktion unserer Schuhmanufaktur. Die limitierten Sondereditionen richten sich an Sammler und Liebhaber unter dem Motto „handcrafted in Pirmasens with love“. Auch bei „flipflop“ arbeiten wir in Form von Kollaborationen mit bekannten Marken zusammen, wie Vogue oder Porsche. Abgesehen davon haben wir gerade als Familienunternehmen die Möglichkeit, uns und die Werte, die wir verkörpern, mit der richtigen Message in den Vordergrund zu stellen.

UNTERNEHMEN
Bernd Hummel Holding 1972 übernimmt der gelernte Schuhmacher Bernd Hummel mit 23 Jahren die bereits schwächelnde Schuhfabrik seines Schwiegervaters in Pirmasens und geht erst einmal in die Insolvenz. Er beginnt, Schuhe aus Asien zu importieren. 1981 wird er Lizenznehmer der Mode- und Sneaker-Marke „KangaROOS“. Heute vertreibt die Bernd Hummel Holding „KangaROOS“-Schuhe in 23 Ländern, die vor allem in China produziert werden. In der Sneaker-Manufaktur Hummel & Hummel in Münchweiler bei Pirmasens werden darüber hinaus handgefertigte Sneaker in geringer Stückzahl hergestellt. Mit dem Erwerb der Marke „flip*flop“ 2003 kommen die Töchter ins Familienunternehmen – 2006 Anne-Katrin und 2008 Julia
Hummel. Schritt für Schritt übernehmen sie Verantwortung als Gesellschafter- und Geschäftsführerinnen. Anne-Katrin Hummel führt heute gemeinsam mit Bernd Hummel die Geschäfte der flip-flop GmbH. Julia Hummel ist mit ihrem Vater Geschäftsführerin der Bernd Hummel GmbH, die das Lizenzgeschäft für „KangaROOS“ betreibt. Zu dritt bilden sie die Geschäftsführung der Bernd Hummel Holding, unter der das operative Geschäft und die Immobilienprojekte der Familie zusammengefasst sind. Im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge hat Bernd Hummel die Mehrheit der Anteile der Holding an seine Töchter übertragen. Die Bernd Hummel Holding erwirtschaftet einen Umsatz von 55 Mio. Euro mit 65 Mitarbeitenden.

Das Interview von Julia Hummel ist mit vielen anderen NextGens in unserem NextGen Special zu lesen.

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