„Eine Frauenquote tut kompetenten Frauen weh.“

Mit Mut und viel Engagement stieg Christina Rami-Mark als Nachfolgerin in die Unternehmensführung ein. Im Interview mit Jürgen Kreindl erzählt sie, wie sie sich als junge Frau in einer männerdominierten Branche Respekt verschafft hat, welche Herausforderungen sie als Nachfolgerin meistert und warum Netzwerke und Praxiserfahrungen aus ihrer Sicht essenziell sind.

Christina Rami-Mark im Gespräch mit Jürgen Kreindl

Christina, du bist Expertin für medizinische Radiochemie. Du hast dein Studium in kürzester Zeit mit Auszeichnung abgeschlossen und gleich danach eine Professur übernommen. Wie kam es dazu?
CHRISTINA RAMI-MARK: Mein Vater ist Ingenieur, meine Mutter Ärztin und ich wollte immer schon analytisch hinter die Dinge blicken. Da war Chemie der Mittelweg. Ich habe mir bewusst ein Studium ausgesucht, in dem ich meine eigene Kompetenz beweisen konnte. Wohl auch, weil ich nicht das Image haben
wollte: Die Tochter hat sich ins gemachte Nest gesetzt. Ich wollte die Bestätigung, dass ich auch auf eigenen Beinen stehen kann. Ich glaube, das ist bei Frauen in dieser Situation etwas anderes als bei Männern.

Wieso bist du überhaupt ins Unternehmen eingestiegen?
Ich stand vor der Wahl: Entweder ich steige ins Unternehmen ein oder mein Vater verkauft es. Nach kurzer Bedenkzeit habe ich mich dafür entschieden einzutreten.

Wie haben die altgedienten, meist männlichen Kollegen die Tochter vom Chef empfangen?
Da war schon erst mal die Frage: Was will diese Blondine aus Wien mit Studium und Doktortitel in der Produktion, in der vor allem ältere Nebenerwerbslandwirte arbeiten? Okay, sie haben mich am Anfang getestet: Wie weit können sie gehen? Kann sie sich in technische Zeichnungen reindenken, versteht sie Tiefziehen? Aber als die Kollegen gesehen haben, dass ich kein „Business-Baby“, sondern engagiert und zugänglich bin, habe ich mir relativ schnell ein Respektverhältnis erarbeitet. Ich glaube, ich kenne jede und jeden unserer 550 Mitarbeitenden mit Vornamen und weiß, wo sie oder er wohnt, welche Familiengeschichte sie oder er hat. Ich habe durchaus ein offenes Ohr für unsere Leute.

Mit wem hast du dich bei der Entscheidung, ob du bei Mark eintrittst, beraten?
Mein Vater und ich haben damals einen Strategieprozess aufgesetzt und dafür einen externen Strategieberater geholt. Von dem haben wir uns gleich wieder getrennt. Wir haben relativ schnell gemerkt, dass ein aufgesetztes Denken von außen nicht zu uns passt. Also haben wir es intern aufgezogen und ich habe
viel „Pain-Sharing“ betrieben, also nach Netzwerken Ausschau gehalten, in denen Leute in ähnlicher Lage sind. Als mein Vater und ich uns zu 80 Prozent einig über unsere Zukunft waren, haben wir entschieden: Das passt, denn wir müssen uns nicht in allem einig sein.

Also alles gar nicht so schwer?
Grenzen müssen schon ausgelotet werden. Aber trotzdem wertschätze ich das Lebenswerk der älteren Generation. Sie hat extrem viel aufgebaut und braucht ihre Freiräume, genau wie ich.

Apropos Freiräume, wie teilst du dir die Geschäftsführung mit deinem Vater?
Gar nicht. Mein Vater hat sich aus der Metallwarenfabrik komplett zurückgezogen. Er kommt täglich zwei Stunden rein, liest seine Post, trifft die Leute im Café und geht wieder. Schwieriger ist es bei unseren Spin-offs, die er gegründet hat. Da liegt die Governance noch bei meinem Vater. In Zukunft werden wir hier sicherlich noch ein Modell brauchen und vielleicht auch Fremdgeschäftsführer, um sie zu managen.

Hast du Bedingungen für deinen Einstieg gestellt?
Ich brauchte noch Input von außen. Ich wollte nicht mein Leben lang im selben Teich schwimmen. Um Fachkenntnisse zu sammeln, war ich deshalb jeweils ein halbes Jahr bei drei Automobilzulieferern. Das kann ich allen potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern nur empfehlen.

Warum ist dir das so wichtig?
Das ist essenziell. Der Austausch in jungen Netzwerken für Führungskräfte ist genauso wichtig. Aber ich wollte bewusst nicht auf der Chef-Ebene unterwegs sein, sondern in Forschung und Entwicklung sein, im Qualitätsmanagement, in der Produktion. Da sind die wichtigen Schnittstellen, an denen man mit
Leuten in Berührung kommt und erkennt, welche Prozesse funktionieren. Ich war bei den Zulieferern und auch bei uns im Blaumann in jeder Abteilung. Als dann die Leitung des Projektmanagements frei wurde, habe ich sie übernommen.

Hattest du eine Exit-Strategie?
Ehrlicherweise ja, zurück an die Universität, aber ich habe nie daran gedacht, dieses Ticket zu ziehen. Ich habe es sehr genossen, dass wir an der Universität ein sehr heterogenes, internationales Team waren. Wenn du danach nach Oberösterreich in ein Unternehmen mit lauter Männern von 40, 50 Jahren plus kommst, ist die Zusammenarbeit schon ein bisschen anders. Aber daraus kann man lernen, welche Vorteile beide Varianten haben. Heute liegt der Altersschnitt bei Mark bei 34 Jahren und wir haben viele junge Frauen im Werkzeugbau und in den technischen Berufen.

Hat das den Unternehmensalltag verändert?
Ja. Mittlerweile sehen auch unsere Mitarbeitenden, dass mehr Gemeinschaft entsteht, dass wir unterschiedlicher und kreativer denken. Aber von einer Frauenquote halte ich nichts. Die tut kompetenten Frauen einfach weh. Die Person mit der besseren Qualifikation soll den Job bekommen. Voraussetzung
muss aber Chancengleichheit im Sinne von Kinderbetreuung, Teilzeit und Väterkarenz sein. Welcher Mensch hat sich überlegt, dass erwerbstätige Menschen fünf Wochen Urlaub haben, aber Schulkinder neun allein im Sommer? Das ist für mich extrem schwer verständlich und hat in einer modernen Gesellschaft, glaube ich, auch keinen Platz. Wir haben extrem viele gut ausgebildete Frauen, die studieren, mit Auszeichnung abschließen und an der Betreuungssituation verzweifeln.

Stehen sich Frauen manchmal auch selbst im Weg?
Sicher nicht bei diesem Thema. Aber gerade für junge Frauen ist es wichtig, für sich einzustehen und sich nicht selbst kleinzumachen. Und Sprache ist ein mächtiges Tool. Ich kämpfe im Unternehmen gegen die ältere Generation fürs Gendern – auch wenn mein Vater es blödsinnig findet. Aber wenn ich dir jetzt sage: Stelle dir drei Richter mit schwarzen Kleidern und rot lackierten Fingernägeln vor, hast du ein komisches Bild im Kopf. Weil Richter und Richterin eben nicht das Gleiche sind.

Müssen Frauen nach deiner Erfahrung immer noch härter arbeiten, um das Gleiche zu erreichen?
In unserer Branche? Ja. Ein skurriles Beispiel über veraltete Wahrnehmung: Wenn ich in der Signatur meiner E-Mail meinen Doktortitel weglasse, werde ich gerne mal als Sekretärin betitelt.

Teilst du die Selbstverständlichkeit, mit der junge Fach- und Führungskräfte heute ihren Wunsch nach besserer Work-Life-Balance vertreten?
Führungskräfte, die ein Unternehmen vorwärtsbringen wollen, haben keine „Nine-tofive-Attention“. Aber auch Kollegen, die 55 plus sind, sagen: Ich habe schon viel erreicht und möchte die Stunden reduzieren. Dem kommen wir gern entgegen, weil wir ihre Senior-Expertise sehr schätzen. Was wir alle brauchen, ist eine flexible Zeiteinteilung und eine sinnstiftende Aufgabe. Wertschätzung motiviert: Deshalb bekamen alle Mitarbeitenden, als wir die Umsatzschwelle von 100 Mio. Euro erreicht hatten, zwei zusätzliche Urlaubstage. Geld ist aber nur ein Hygienefaktor. Wir versuchen, den Leuten so entgegenzutreten, wie sie behandelt werden wollen, und nicht, wie wir behandelt werden wollen.

Auf welche Herausforderungen von außen müssen sich potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger jetzt einstellen?
Die geopolitischen Fragen der kommenden Jahre sind enorm und die kurzzyklischen Schwankungen in der Konjunktur fallen immer enger und höher aus. Bei unserer Exportquote von 44 Prozent empfinde ich diese Mischung als eine extreme Herausforderung. Man kann gar nicht genug Vor- und Weiterbildung haben, gerade auch bei Nachhaltigkeit und Governance. Mein Tipp: Vernetzt euch mit Leuten, die Schwierigkeiten gemeistert haben und unter vier Augen ehrlich darüber sprechen, was bei ihnen nicht gut gelaufen ist. Öffentlich werden das viele niemals sagen, weil sich das gegenüber der alten Generation nicht gehört. Schade, denn das ist extrem wertvoll. Wir kämpfen doch alle mit den gleichen Herausforderungen.

Das Interview von Christina Rami-Mark ist mit vielen anderen NextGens in unserem NextGen Special zu lesen.

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